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Büchertipps / Rezensionen



Titelbild
Christoph Twickel:

Hugo Chavez

Eine überzeugende und kenntnisreiche Biografie über den linken Staatschef Venezuelas, Hugo Chavez, und dessen Ideen des Bolivarismus




Eine Biographie des legendenumrankten Präsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, hat Christoph Twickel bei Edition Nautilus vorgelegt. Was scheinbar praktisch über Nacht über Lateinamerika hereinbrach, hat in Wahrheit eine lange Geschichte, deren ihre Ursprünge in den Guerillabewegungen der ´60 Jahre liegen. Der Autor legt die Wurzeln der Theoriestränge des Bolivarismus und der Focus-theorie frei, die viele, zum Teil in Konkurrenz stehende Organisationen beeinflußt haben. Diese wollten einen zivilen-militärischen Pakt begründen, der darauf abzielt einen Machtwechsel einzuleiten. Da sich Twickel auf einige exponierte Personen konzentriert, die mit Chávez direkt Kontakt hatte, oder auf welche er sich beruft, gelingt dies auch ohne langweilig zu werden. Die Brüche und Ver-werfungen dieser Epoche werden anhand der geopolitischen Umbrüche leicht verständlich erklärt. Der spätere Putschist beginnt mit 17 Jahren eine Militärausbildung, wo er sofort mit revolutionären Kräften der PRV Verbindungen aufnimmt. 1989 kommt es in Venezuela zu schweren Anti-IWF Krawallen und Streiks, die vom Militär zerschlagen werden. Die inzwischen im EBR-200 organisierten Verschwörer um Chávez planen einen Putsch, der am 04. Februar 1992 stattfinden soll und gründlich in die Hose geht. Die Luftwaffe, die strategische Ziele bombardieren soll, kneift, Chávez ruft seine GenossInnen über Fernsehansprache mit einem roten Barrett auf dem Kopf dazu auf, das revolutionäre Projekt “vorläufig” zurück zu stellen. Diese Ansprache macht ihn landesweit sehr populär, er selbst und seine Helfer gehen in den Knast. 1994 erfüllt der neu gewählte Staatspräsident Caldera ein Wahlversprechen und begnadigt die Putschisten, sie treten aus der Armee aus, um nicht unehrenhaft entlassen zu werde. Sofort beginnt man einen legalen politischen Weg einzuschlagen und eine Ochsentour quer durch das Land zu veranstalten, sowie die alten Kontakte zu aktivieren, die nach Richtungswechseln der Organisationen arg gelitten hatten. Diese glaubten nicht mehr an eine Änderung der Verhältnisse durch Wahlen und bevorzugen den Wahlboykott. Die Regierung selbst torkelt von Finanzskandal zu Korruptionsaffäre, das Wahlbündnis um Chávez, welches sich nun Polo Patriótico nennt, gewinnt schließlich 1998 die Wahlen. Es übernimmt ein Entertainer die Regierungsgeschäfte, wie ihn das Land noch nicht gesehen hat. Er verkündet sogleich den Plan Bolivar, der Staats-angestellte verpflichtet sich für Infrastrukturmaßnahmen, Gesundheitszentren und Bildung zur Verfügung zu stellen. Er drängt bei der OPEC auf Einhaltung der Förderquoten, um dem Ölpreisverfall zu stoppen, der die Staatsfinanzen ruinierte. Die Ölförderung selbst wird verstaatlicht! Und: Chávez übernimmt persönlich die Moderation einer wöchentlichen Life-Fernsehrunde, wo er auch schon mal die Ministerriege antreten lässt, um sie vor laufender Fernsehkamera mit der Trillerpfeife zu entlassen. Eine Performanz, die alle Quoten bricht. Es wird eine verfassungsgebende Versammlung (ANC) einberufen, die stark von Feministinnen dominiert wird, was den mächtigen Klerus auf den Plan ruft. Trotzdem heißt es in der Verfassung, Artikel 88: “Der Staat erkennt die Hausarbeit als eine Wirtschaftstätigkeit an, die Mehrwert erzeugt und Werte sowie sozialen Wohlstand schafft. Hausfrauen haben entsprechend der gesetzlichen Regelung das Recht auf soziale Absicherung”. Erstaunlich für ein südamerikanisches Land. Artikel 70 dagegen fördert alle Ansätze von Selbstverwaltung, Mitbestimmung und Genossenschaften in all ihren Formen. Kirche und die Reichen des Landes, die mit ihren schweren Geländewagen durch Caracas fahren, laufen Sturm. Mittlerweile hat laut Medienberichten eine wahre Massenflucht der Reichen nach Florida begonnen. Die Chávez-Show aber läuft und läuft, das Ende ist zwar offen, missen möchte man sie nicht. Wenn es dem eigenwilligen Exzentriker gelingt den Mercosur zu stärken, wird es den reichen Ländern zunehmend schwerer fallen, die südamerikanischen gegeneinander auszuspielen. G.W. Bushs Alpträume (es riecht nach Schwefel), nicht als Second Live, wie es das künstliche Cyberspektakel suggeriert, in Echtzeit. Hasta la victoria siempre! Ein kenntnisreiches, sehr detailliertes Buch, das ohne die hierzulande so geschätzten lateinamerikanischen Exotismen auskommt, welche die bekannten schaurigen Distanzierungen erlauben.

RezensentIn: Adi Quarti

Erschienen bei Edition Nautilus 2006, 19,90 Euro.


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