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Büchertipps / Rezensionen



Titelbild
Tom Standage:

Der Türke
Die Geschichte des ersten Schachautomaten und seiner abenteuerlichen Reise um die Welt

Der erste Schachautomat der Welt gewann im 18. und 19. Jahrhundert die meisten seiner Spiele - eine verrückte Geschichte über Vergangenes und Bleibendes




Walter Benjamin beginnt seine berühmten Thesen zum Begriff der Geschichte mit den Worten: "Bekanntlich soll es einen Automaten gegeben haben, der so konstruiert gewesen sei, daß er jeden Zug eines Schachspielers mit einem Gegenzuge erwidert habe, der ihm den Gewinn der Partie sicherte. Eine Puppe in türkischer Tracht, eine Wasserpfeife im Munde, saß vor dem Brett, das auf einem geräumigen Tisch aufruhte..." - an dieser Stelle soll das Zitat beendet sein, um nicht zuviel zu verraten.

Tatsächlich gab es diesen Schachautomaten, im Jahr 1770 erbaut von einem Österreicher namens Wolfgang von Kempelen im Auftrag der damaligen Kaiserin Maria Theresia. Der zeittypischen orientalischen Tracht verdankte er seinen Namen: "Der Türke". Ein Automat, der zwar nicht - wie Benjamin mutmaßt - alle Partien gewann, aber doch die meisten. Er kam weit herum, bereiste unter anderem Deutschland, Frankreich, England und sogar die Vereinigten Staaten, wechselte mehrfach den Besitz, bevor er 1854 in Philadelphia einem Brand zum Opfer fiel.

Wie funktioniert ein Schachautomat, der in einem Zeitalter gebaut wurde, in dem Elektronik und Mikrochips noch in weiter ferne lagen? Ein Zeitalter, in dem sich die Menschen zwar mit großer Freude zeitgenössischen Automaten widmeten, aber doch nicht viel mehr als Mechanik und Magnetismus anwenden konnten? Nun, diese Frage soll an dieser Stelle unbeantwortet bleiben - schließlich macht sie den spannenden Kern dieses kleinen Buches aus, weshalb der Wissenschaftsjournalist und Buchautor Tom Standage sie auch selbst erst am Ende seines kleinen Werkes beantwortet.

Mit "der Türke" ist ihm ein Buch gelungen, das in leicht zu lesender Sprache eine geradewegs unglaubliche, aber doch authentische Geschichte erzählt. Es erschließt sich eine verrückte Welt, in der die Menschen eine heute kaum mehr nachvollziehbare Begeisterung für Automaten entwickelten - wie beispielsweise für Nahrung verdauende und ausscheidende Tiere oder musizierende künstliche Menschen. Eine Welt, in der sich Staaten gegenseitig ihren naturwissenschaftlichen Fortschritt durch immer komplexere Mechanik beweisen wollten - und Herrschende mit dem Wissen und Können ihrer Untergebenen protzten.

RezensentIn: Jan Peter Althoff

Erschienen bei Berliner Taschenbuch Verlag 2005, 9,90 Euro.


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