Gabriele Sterkel/ Thorsten Schulten/ Jörg Wiedemuth (Hg.):
Mindestlöhne gegen Lohndumping
Rahmenbedingungen - Erfahrungen - Strategien
Mindestlöhne gegen Niedriglöhne: Der Sammelband analysiert die Chancen, die Mindestlöhne bieten, und untermauert an Beispielen deren Notwendigkeit
Die Debatte um die Einführung eines einheitlichen gesetzlichen Mindestlohns hat in den letzten Wochen, spätestens mit dem von Gewerkschaften und SPD vorgelegten Stufenplan für die Einführung von Mindestlöhnen, wieder an Schärfe gewonnen.
In dem Sammelband „Mindestlöhne gegen Lohndumping“ wird sich dem Thema gesetzlicher Mindestlohn auf unterschiedlichste Weise genähert. Beginnend mit der Vorstellung der Mindestlohnkampagne der Gewerkschaften ver.di und NGG analysieren die folgenden Beiträge die Entstehung von Niedriglöhnen und geben Empfehlungen für eine angemessene Mindestlohnpolitik. Claus Schäfer zeichnet in seinem Text die massive Ausweitung und Zersplitterung des Niedriglohnsektors seit Beginn der 90er Jahre nach und verweist darauf, dass zwei Drittel der zu Niedriglöhnen arbeitenden Personen 30 Jahre oder älter sind, über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen und in der Regel keine einfachen Tätigkeiten ausüben. Die Forderung der Gewerkschaften nach einer stärkeren Regulierung dieses Niedriglohnsektors mithilfe eines gesetzlichen Mindestlohns von 7,50 € in der Stunde orientiert sich daraufhin an der in Deutschland geltenden Pfändungsfreigrenze und der Norm der Europäischen Sozialcharta nach einer „gerechten“ und „angemessenen“ Entlohnung. Von einem Mindestlohn in dieser Höhe würden allein 3 Millionen Vollzeitbeschäftigte profitieren.
Im Folgenden wird durch die Schilderung konkreter Erfahrungen aus einigen klassischen Niedriglohnbereichen (u.a. Einzelhandel, FriseurInnen) die Problematik verdeutlicht. Gerald Richter berichtet, dass die Beschäftigten im Wach- und Sicherheitsgewerbe größtenteils Stundenlöhne zwischen 4 und 7 € verdienen und daraus resultierend teilweise sogar 250 bis zu 300 Stunden im Monat arbeiten müssen, um davon leben zu können. Im juristisch ausgerichteten Teil des Buches bejaht Thomas Blanke die kontroverse Frage nach der Vereinbarkeit eines Mindestlohns mit der Tarifautonomie. Er verweist darauf, dass es im Rahmen der klassischen staatlichen Aufgaben liegt, soziale Mindeststandards zu setzten, auf deren Grundlage sich die autonomen Kräfte entfalten können (ähnlich dem gesetzlichen Mindesturlaub). Im Weiteren beschäftigen sich zwei Aufsätze mit der europäischen Perspektive und schildern erfolgreiche politische Kampagnen für Mindestlöhne in Großbritannien (Living-Wage-Kampagne) sowie der Schweiz (3000-Franken-Kampagne).
Im abschließenden Beitrag wird von Jörg Wiedemuth ein konkretes Konzept zur Einführung und Umsetzung eines allgemeinen, branchenunabhängigen gesetzlichen Mindestlohns vorgestellt. So soll ein nationaler Mindestlohnrat, nach Vorbild der englischen low-pay-commision, die Einführung und Weiterentwicklung des gesetzlichen Mindestlohns begleiten und unterstützen. Dieser Mindestlohnrat solle sich aus VetreterInnen der Tarifparteien und WissenschaftlerInnen zusammensetzen. Dadurch könne ein gesetzlicher Mindestlohn gewährleistet werden, der perspektivisch oberhalb der Armutsgrenze liege und ein immer weiter gehendes Lohndumping verhindere.
Alles in allem ist der Sammelband jedem und jeder zu empfehlen, der/die sich der Mindestlohndebatte von verschiedenen Blickwinkeln her nähern möchte. Er liefert gut leserliche und fundierte Argumentationsgrundlagen für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland und räumt mit so manchem Missverständnis bezüglich des Niedriglohnssektors auf. Das Buch stellt eine ideale Ergänzung zu dem Sammelband „Mindestlöhne in Europa“ dar (besprochen gleichfalls hier in den stattweb-Büchertipps).
RezensentIn: Boris Bogojev
Erschienen bei VSA 2006, 16,80 Euro.
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