Torsten Niechoj/ Marco Tullney (Hg.):
Geschlechterverhältnisse in der Ökonomie
Die Aufsatzsammlung zeigt, wie Frauen in der Ökonomie und im Arbeitsleben nach wie vor benachteiligt werden
Die Herausgeber Torsten Niechoj und Marco Tullney treffen eine facettenreiche Auswahl an Aufsätzen zum Thema „Geschlechterverhältnisse in der Ökonomie“. Trotz der thematischen Vielfalt lässt sich als gemeinsamer Tenor aller Autoren die Feststellung ausmachen, dass Frauen in Deutschland im Erwerbsleben und dem daran gekoppelten Bereich der Sozialleistungen ökonomisch benachteiligt werden.
Es wird zunächst dargestellt, dass Frauen nach wie vor den Großteil der Reproduktionsarbeit leisten, sprich für Kindererziehung und Haushalt zuständig sind, und dies in der Regel unentgeltlich. Die in den vergangenen Jahren zunehmende Aufnahme von Beschäftigungsverhältnissen wird relativiert durch die Tatsache, dass diese zu einem großen Teil als Teilzeitbeschäftigung erfolgt oder in prekären Arbeitsverhältnissen besteht. Außerdem wird in diesem Zusammenhang eine ungleiche Entwicklung in unterschiedlichen sozialen Schichten der deutschen Gesellschaft festgestellt. So können meist nur Frauen der Mittelschicht auf bezahlte Dienstleistungen im Reproduktionsbereich zurückgreifen und sich so ihrer Erwerbstätigkeit widmen, Frauen sozial schwächerer Schichten sind dagegen zunehmend der Doppelbelastung ausgesetzt.
Am Arbeitsmarkt ist direkte Lohndiskriminierung von Frauen gegenüber Männern abgeschafft – dennoch existiert sie indirekt weiter. Als Beispiele seien die Senioritätsregelung genannt, die Lohnsteigerungen in Abhängigkeit der Betriebszugehörigkeit vorsieht, sowie die mindere Anerkennung und Bezahlung von Dienstleistungs- und Sorgeberufen, die als typische Frauenberufe gelten. In Folge dieser und anderer Mechanismen kommt ein im Durchschnitt um 10 bis 30 Prozent geringeres Lohnniveau von Frauen gegenüber Männern zu Stande, und dies trotz des sich in jüngster Zeit angleichenden, in einigen Bereichen gar höheren Bildungsniveaus von Frauen.
Die größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern treten in der Rentenhöhe zu Tage. Verantwortlich hierfür sind neben dem im Durchschnitt geringeren Lohnniveau die nach wie vor bestehende Rollenteilung in Familien, die mit steigender Kinderzahl zu zunehmender Erwerbsunterbrechung bei Frauen führt. Die Persistenz des Musters des männlichen Haupternährers in Familien wird einerseits durch die Steuerpolitik, respektive das Ehegattensplitting, aber auch durch gesundheitspolitische Maßnahmen verstärkt. Im letzteren Bereich kommt insbesondere die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnerinnen zum Tragen.
Neben der umfassenden Darstellung der oben beschriebenen Themenbereiche widmen sich einzelne Kapitel der ökonomischen Theorie und stellen das Fehlen einer geschlossenen Theorie zum Thema fest. In der Summe beleuchtet die Herausgeberschrift die Problematik der geschlechterspezifischen Unterschiede in den verschiedenen Bereichen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik umfassend und liefert einen äußerst informativen und vielfältigen Überblick zum Thema.
RezensentIn: Mareike Walther
Erschienen bei Metropolis 2006, 19,80 Euro.
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