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Büchertipps / Rezensionen



Titelbild
Jean-Claude Paye:

Das Ende des Rechtsstaats
Demokratie im Ausnahmezustand

Eine fundierte Analyse jüngerer repressiver Entwicklungen auf einzelstaatlicher, europäischer, US-amerikanischer und internationaler Ebene




Dass die Welt nie mehr so sein würde, wie sie vorher war, konnte man unmittelbar nach dem 11. September 2001 allenthalben hören. Solcherlei Prognosen erwecken gerne den Eindruck mangelnder Relativierung - im historischen Rückblick beurteilt man schließlich manches Ereignis anders, als dies noch dessen Zeitgenossen taten. Die Anschläge auf das World Trade Center in New York aber sind (auch) fast fünf Jahre später deutlich als historische Wendemarke erkennbar. Den herrschenden Klassen im Westen, denen noch 1990 der Klassenfeind abhanden gekommen war, bot sich damals eine Chance, die sie zu nutzen wussten: ein neuer Feind betrat die ideologische Bühne, eine neue Herausforderung, die man mit dem Gestus des historischen Siegers gerne annahm. Der darauf folgende "Krieg gegen den Terrorismus" hat in bislang ungekanntem Ausmaß zu einem Abbau von Grundrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geführt.

Die Maßnahmen, die im Rahmen dieses "Krieges" von westlichen Staaten ergriffen wurden, stellt der belgische Soziologie Jean-Claude Paye in seinem Buch "Das Ende des Rechtsstaats" detailliert und ausführlich dar. Er konstatiert mehrere bedenkliche Entwicklungen, die alle auf's Engste miteinander verflochten sind. Hier seien beispielhaft zwei der wichtigsten skizziert:

Zum Ersten scheinen sich die USA nicht nur außenpolitisch, sondern gerade auch "weltinnenpolitisch" zu einer Art Weltpolizei zu entwickeln. Nicht nur gegenüber neutralen Drittstaaten oder "Schurkenstaaten", sondern auch gegenüber den eigenen Verbündeten beanspruchen die USA Sonderrechte, die ihnen zunehmend den Status einer globalen Exekutive zukommen lassen. Sei es im Rahmen der Überwachung des weltweiten Internet-Datenverkehrs, sei es im Rahmen der internationalen Strafverfolgung, sei es bei extraterritorialen Zuständigkeiten oder sei es bei Militäreinsätzen - längst haben die Vereinigten Staaten die Position einer kaum mehr kontrollierbaren globalen Zentralgewalt eingenommen.

Zum Zweiten vollzieht sich derzeit in allen westlichen Staaten (Paye benennt insbesondere die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Belgien) ein massiver Abbau rechtsstaatlicher Grenzen zu Gunsten einer ungehemmten Strafverfolgung. Dabei verdrängen Exekutive, Polizei und Geheimdienste zum Einen zunehmend rechtsstaatliche Kontrollmechanismen. Zum anderen bauen Sie unter dem Schlagwort "Prävention" einen Überwachungsapparat auf, der gerade nicht mehr der Kriminalitätsverfolgung dient, sondern eine annähernd lückenlose Kontrolle der Menschen bewirkt.

Paye hat ein faktenreiches, sehr gut recherchiertes Buch vorgelegt, das einen sehr guten Überblick über die derzeitigen globalen, europäischen und einzelstaatlichen Tendenzen bietet. Hervorzuheben ist dabei, dass sich er sich nicht darauf beschränkt, Fakten zu benennen, sondern sie in einen größeren analytischen Rahmen einordnet: er bringt den Abbau von bürgerlichen, rechtsstaatlichen Garantien in direkte Verbindung mit dem Abbau sozialer Rechte, der seit geraumer Zeit als Neoliberalismus bekannt ist. Die Lektüre von "Das Ende des Rechtsstaats" legt überzeugend nahe: Prävention, die vorgibt, Terrorismus zu verhüten, scheint vielmehr heutige und zukünftige Formen des Widerstands gegen Sozialabbau unterdrücken zu wollen. Es gilt, dagegen aufzubegehren.

RezensentIn: Jan Peter Althoff

Erschienen bei Rotpunktverlag 2005, 22,00 Euro.


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