Michael Lausberg:
Die Pro-Bewegung
Geschichte, Inhalte, Strategien der „Bürgerbewegung Pro Köln“ und der „Bürgerbewegung Pro NRW“
In diesem gut recherchierten Buch werden Geschichte, inhaltliche Aussagen und Strukturen der Pro-Bewegung beschrieben.
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In vielen Nachbarländern Deutschlands feiern extrem rechte Parteien seit Jahren große Erfolge. In Deutschland gelang es jedoch bisher keiner extrem rechten Partei, solche Ergebnisse wie die FPÖ, die SVP oder Wilders bzw. Fortuyn zu erreichen. Zwar sitzt die NPD in zwei Landtagen, bundesweit scheinen sie jedoch momentan keine Chance zu haben, in den Bundestag einzuziehen – wohl auch weil der antibürgerliche Habitus vieler Parteimitglieder abschreckend auf eine große Zahl potentieller Wähler_innen wirkt. Anders könnte es sich mit sogenannten „rechtspopulistischen“ Parteien verhalten. Nach dem zunehmenden Verfall der Republikaner bzw. der DVU und dem nur kurzen Strohfeuer von Roland Schill werden den "Pro"-Parteien die größten Chancen zugerechnet, das Vakuum zwischen Union und NPD zu füllen. Beim Unrast-Verlag erschien im Februar 2010 das Buch „Die Pro-Bewegung. Geschichte, Inhalte und Strategien der ‚Bürgerbewegung Pro Köln‘ und der ‚Bürgerbewegung Pro NRW‘“ von Michael Lausberg.
In dem ca. 160 Seiten starken Werk wird zunächst der Begriff Rechtspopulismus definiert, bevor jeweils die Entwicklungsschritte und die thematische Fokussierung der Parteien „Pro Köln“ und „Pro NRW“ vorgestellt bzw. untersucht werden sollen.
In dem äußert knapp gehalten Kapitel über den Begriff „Populismus“ nennt der Autor - ausgehend vom „Populismusforscher“ Frank Decker - fünf Aspekte, die mehr oder weniger auf historische und bestehende populistische Parteien und Bewegungen zutreffen sollen (vgl. S. 8f.). Demnach sei erstens die Zielgruppe meist in der Unter- und Mittelschicht zu suchen. Zweitens handele es sich beim Populismus in erster Linie um eine Bewegung des undifferenzierten Widerstands gegen herrschende Verhältnisse, bei dem drittens komplexe Probleme in einfache, einprägsame Parolen transformiert werden. Diese „Entdifferenzierung“ spitze sich viertens zumeist zu einer Form des „Freund-Feind-Denkens“ zu. Fünftens gehe es beim Populismus als Methode um die Verschärfung vorhandener populärer Vorurteile und ihrer Instrumentalisierung, wobei die Lehre von Gut und Böse verwendet werde. Der Autor verzichtet auf eine genauere Untersuchung des Begriffs – weder wird der „Rechtspopulismus“ von anderen Populismen abgegrenzt, noch wird das Verhältnis zum „Rechtsextremismus-Begriff“ geklärt. Dadurch könnte der Eindruck entstehen, der Autor halte Links- und Rechtspopulismus für fast deckungsgleiche Phänomene, was gerade in der momentanen diskursiven Auseinandersetzung um die Extremismus-Legende höchst problematisch ist. Es wird auch nicht deutlich gemacht, dass das Etikett „Rechtspopulismus“ im Wesentlichen die Wirkung hat, extrem rechte Inhalte salonfähig zu machen. Daher besteht die Gefahr, die Konstruktion einer inhaltlich konkurrierenden Strömung zum „Rechtsextremismus“ zu reproduzieren, womit die Einflussnahme auf politische Diskurse für das vermeintlich Moderatere vielfach verbessert wird.
Wie wenig Sinn die fein säuberliche Trennung von „Rechtspopulismus“ (Pro Köln bzw. Pro NRW) und als „rechtsextrem“ gelabelten Parteien wie der NPD macht, zeigen insbesondere die Kapitel, bei denen die zentralen Themen der Partei(en) vorgestellt werden (vgl. S. 45ff.). Attackiert werden die „korrupten Politiker“, die „gleichgeschaltete (linkslastige) Presselandschaft“, das angebliche „Büßergewand“, das den Deutschen aufgrund der Geschichte umgehängt werde - und natürlich „kriminelle Ausländer“ respektive „der Islam“. Gerade letzteres Feindbild steht im Zentrum der „Pro“-Propaganda. Intensiv wurde versucht, den Bau einer Moschee in Köln-Ehrenfeld zu verhindern. An den - dank zehntausender Gegendemonstrant_innen - vergeblichen Versuch, im September 2008 einen „Anti-Islamisierungskongress“ in Köln zu veranstalten, dürften sich viele noch erinnern.
Dabei gibt es nicht nur inhaltliche Überschneidungen zwischen den „Pro-Parteien“ und extrem rechten Organisationen. Unzählige im Buch genannte Beispiele zeigen deutlich, wie eng die Verknüpfungen sind. Der Bundesvorsitzende von „Pro Deutschland“ und Stadtrat für „Pro Köln“ Manfred Rouhs war beispielsweise in den 1980ern aktiv in der NPD. Nachdem er für zwei Jahre sogar Landesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation (JN) in Nordrhein-Westfalen war, wechselte er zu den damals aufstrebenden „Republikanern“. Anschließend engagierte er sich – genauso wie der Spitzenkandidat für „Pro NRW“ bei der Landtagswahl Markus Beisicht – in der extrem rechten „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (vgl. S. 21ff.). Beide waren auch lange Jahre in hohen Positionen beim extrem rechten Ring Freiheitlicher Studenten (Beisicht war Bundesvorsitzender, Rouhs Generalsekretär). Andere Funktionsträger verließen Pro Köln, um intensiver mit neonazistischen „Freien Kräften“ zusammenarbeiten zu können.
Noch ist nicht absehbar, ob es den Pro-Parteien gelingen wird, bundesweit und kontinuierlich Fuß zu fassen. Grundlage dafür wäre kommunale Verankerung und eine charismatische Führungsfigur. An Ersterem wird zumindest in Nordrhein-Westfalen relativ erfolgreich gearbeitet, nach einem blinkenden Aushängeschild wird noch gesucht. Die Pro-Parteien sollten aber keineswegs unterschätzt werden, sondern weiter Gegenstand einer intensiven Auseinandersetzung sein. Das Buch liefert dafür hinreichend Material, um die sich bieder gebenden „Rechtspopulist_innen“ zu demaskieren. Leider verlässt der Autor nur äußerst selten die deskriptive Ebene, so dass das vorliegende Buch eher als eine Beschreibung der Inhalte und Strategien und weniger als eine Analyse erscheint. Die in der Einleitung versprochene Untersuchung bleibt weitgehend aus. Das tut dem Nutzen dieser Arbeit jedoch nicht unbedingt einen Abbruch, da diese umfangreiche Recherche eine Grundlage für weitere Untersuchungen sein kann.
RezensentIn: Sebastian Friedrich
Erschienen bei Unrast Verlag 2010, 13,00 Euro. Sie können dieses Buch bei Amazon bestellen.
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