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Büchertipps / Rezensionen



Titelbild
Lester Bangs:

Psychotische Reaktionen und heiße Luft
Rock´n´Roll als Literatur und Literatur als Rock´n´Roll

Eine gnadenlose Abrechnung mit dem Rock’n’Roll der 1970er aus Sicht eines der außergewöhnlichsten Protagonisten dieser Zeit.


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Der Musikjournalist Lester Bangs war mit Sicherheit einer der spektukulärsten seines Fachgebiets. Er schrieb unter anderem für das amerikanische der White Panter Party um John Sinclair nahestende Creem-Magazine und war selbst Musiker, Fan sowie größter des Rock’n’Roll – Zirkus.

Seine ausgewählten Essays, herausgegeben von keinem geringeren als Greil Marcus, sind nun endlich auch auf Deutsch bei Edition Tiamat erschienen.

Was ist zum Pop–Olymp, bzw. seinen Niederungen nicht schon alles geschrieben worden, was verspricht, hält und vor allem – wie lange – überdauert dieser Kanon? „Was sollte eigentlich die ganze Aufregung um die Yardbirds?“, fragt sich der Autor in einem fiktiven Streitgespräch. In dem dann wie nebenbei die Heroes des Rock´n´Roll wie Led Zeppelin, die Rolling Stones und The Who, sowie deren eher peinliche Vertreter wie Elton John abgearbeitet werden - selten zu deren Vorteil. Sowie, kaum zu glauben, regelrecht die Musikgeschichte der 1960er Jahre neu geschrieben wird. Es wird auf Garagenbands verwiesen, z.B. The Count Five, die Troggs, aber auch auf John Coltrane und Charlie Mingus, womit schon viel über die Vorlieben von Bangs ausgesagt ist. Von Miles Davis empfiehlt er nicht etwa das allgemein akzeptierte Album Bitches Brew, sondern das schwer zugängliche On the Corner. Sicher, auch Astral Weeks von Van Morrison war eine tolle Scheibe, allerdings könne man sich nicht recht entscheiden, ob das Vorgängeralbum T.B. Sheets nicht doch besser gewesen sei. Und überhaupt: Was sei mit White Light / White Heat von Velvet Underground - ein Album, welches zu seinem Erscheinen nur von wenigen wahrgenommen wurde.

Nun aber wird es schwieriger: The Stooges sind an der Reihe, irgendwo zwischen Faszination und Abscheu vor Iggy Pops Livedarbietungen, oft genug Zumutungen. Seltsam unentschieden ist sich Bangs bei den Entwicklungen im Jahre 1970, aber nie um einen frechen Seitenhieb verlegen. Obwohl gerade dieser Song (1970) auf Fun House wegen des Saxophonspiels von Steven Mackay besonders zu empfehlen sei.

Jetzt aber wird James Taylor vom Tod gezeichnet - Taylor taucht allerdings zu recht, wenn überhaupt nur verächtlich am Rande auf. Statt dessen widmet sich der Autor seinen Helden: ausführlicher den Troggs und wie nebenbei den MC 5, sowie auch den ersten nicht immer jugendfreien Liebeserfahrungen Lesters.

Egal ob Fiktion oder nicht. In John Coltrane lebt geht es um die eigenen Versuche des Autors, Altsaxophon zu lernen, aber natürlich auch um den Jazzer selbst. Das ist es auch was Lester Bangs vor allem ausmacht, er wollte ebenfalls ein gottverdammter Popstar sein, noch größer als selbst David Bowie oder Lou Reed werden! Genau in den Interviews mit ihm, also Mitte der 1970er Jahre, diesem Geschenk für die Frauen, Schwule, Sadomasochisten dieser Welt – unklar wem noch alles –, die nicht selten in gegenseitige wüste Beschimpfungen und Beleidigungen ausarten, wird dies deutlich. Genie und Wahnsinn des Musikjournalisten wie des Rockstars lagen selten so dicht beisammen! Wobei Bangs über den frühen Lou Reed nichts kommen lässt, insbesondere bei Velvet Underground, er lobt vor allem das Intro zu All tomorrow´s parties und beweißt erneut, dass er sehr genau zuhören kann. Bangs legt bei den späten 1970er Jahre den Schwerpunkt auf The Ramones, The Clash, PIL und Richard Hell and the Voidoids, mit dessen Gitarristen Robert Quine Lester Bangs and the Delinquents das Album Jook Savages on the Brazos veröffentlichte.

Nun hatte er also bereits die zweite Platte veröffentlicht, Star geworden ist er dennoch nicht. The Clash, die ziemlich gelangweilt von den USA waren (I´m so bored with the U.S.A.), durfte der Autor auf Einladung der Plattenfirma CBS auf Tour begleiten, deren Musik er zwar sehr schätzt, den Umgang der Musiker mit ihren Fans und ihre angeblich so politisch korrekte Haltung aber sehr kritisch betrachtet. Gerade diese Zeit, also die des Punk mit ihrer Kritik an den langweiligen alten Fürzen, dürfte er wohl mit am meisten inspiriert haben.

Lester Bangs ist 1982 im Alter von 33 Jahren verstorben.

Das Buch enthält die Smash Hits und den richtigen Geist des letzten Jahrhunderts, unbedingt empfehlenswert.

RezensentIn: Adi Quarti

Erschienen bei Edition Tiamat, Berlin 2008, Euro. Sie können dieses Buch bei Amazon bestellen.


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