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Büchertipps / Rezensionen



Titelbild
Andrea Röpke/ Andreas Speit (Hg.):

Neonazis in Nadelstreifen
Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft

Dieser Band stellt anhand vieler Beispiele die aktuellen Entwicklungen innerhalb der NPD und der Rechten Szene als Ganzes dar.


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Bis vor einigen Jahren hielt sich das verzerrte Bild vom Neonazis als Skinhead in Bomberjacke mit weißen Schnürsenkeln in den Springerstiefeln beharrlich. Dieses Klischee war damals schon überholt, heute ist es das allemal. Auch gewaltbereite junge Neofaschisten folgen oft nicht mehr dem ehemaligen Idealbild, vielmehr übernehmen speziell die sogenannten Autonomen Nationalisten Dresscodes von politisch eher linksorientierten Jugendlichen. Was viele Nazis aber schon immer gemein haben ist, dass sie als solche nicht immer zu erkennen sind. Es ist ihnen ihre menschenverachtende Ideologie schlicht nicht anzusehen; sie tragen Arbeiterklamotten, Jeans-Hosen, Kapuzenpullis - und Anzüge mit Nadelstreifen. Vor allem mit letzteren beschäftigen sich die Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit in ihrem neu herausgegebenen Band „Neonazis in Nadelstreifen - Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft“, welcher im März 2008 beim Christoph Links Verlag erschien.

Auf über 200 Seiten setzen sich verschiedene AutorInnen mit der Partei, deren Umfeld und insbesondere dem Strategiewechsel der gesamten rechten Szene auseinander. Das Hauptaugenmerk ist auf die NPD gerichtet, da diese als neuer Hoffnungsträger für weite Teile des rechtsextremen Spektrums fungiert. Wie konnte dies einer Partei gelingen, die sich jahrzehntelang am Rande der Auflösung befand und sich in ständigen Flügelkämpfen zu zerfleischen drohte?

Das Comeback der ehemaligen Altherren-Partei mag viele Ursachen haben. Eine Hauptursache, so die These der Autoren, ist der grundlegende Strategiewechsel der Partei seit 1996. In diesem Jahr wurde der ehemalige Bundeswehr-Hauptmann Udo Voigt zum Bundesparteivorsitzenden gewählt. Er war es, der zwei Jahre später die 3-Säulen-Strategie formulierte („Kampf um die Straße, um die Köpfe, um die Parlamente“) und sich für eine Öffnung zur Mitte der Gesellschaft und gleichzeitig für eine Zusammenarbeit mit klar neonazistischen, gewaltbereiten Gruppierungen einsetzte. So verbürgerlichte und radikalisierte sich die Partei in den letzten Jahren zunehmend, überholte die anderen rechtsextremen Parteien rechtsaußen, fuhr sensationelle Wahlergebnisse ein und professionalisierte sich zudem.

Ebenfalls vom Parteivorsitzenden Voigt stammt die Losung „Bürgernähe zeigen, vor Ort siegen“, sprich durch kommunale Verankerung bürgerliche Akzeptanz erfahren. Mittlerweile sitzt die NPD in rund 100 Kommunalparlamenten, insbesondere von dort aus gelingt es den Parteimitgliedern, Kontakte zu mittelständischen Unternehmern zu knüpfen. Wie diese und andere Finanzquellen der Partei aufgebaut oder erhalten bleiben, beschreibt Andrea Röpke in einem der Kapitel sehr ausführlich.

Auch inhaltlich veränderte sich die Strategie der NPD. Zwar wird noch traditionell gegen Ausländer gehetzt, die Shoah relativiert und extrem im Freund-Feind-Schema gedacht, jedoch konzentrieren sich sowohl Partei als auch Szene stärker denn je auf die Soziale Frage. Die biologisch-rassistisch aufgeladene Kapitalismuskritik fasst die Partei mit dem Dreiklang "national – sozial – radikal“ oder dem Slogan „sozial geht nur national“ zusammen.

Neben den angesprochenen Themen geht es in den anderen Kapiteln um die Intellektuelle Aufrüstung der Partei, die enge Zusammenarbeit der NPD und der Kameradschaften in Bayern, die Rolle der Frauen in der Rechten Szene, militärische Kindererziehungslager, die Verknüpfungen der Rechtsrock-Szene mit der Partei und schließlich wird dargestellt, welch wichtige Rolle Gewalt für Partei und Szene spielt. Hier zeigt sich deutlich das wahre Gesicht der Partei. Neben bieder-wirkenden Führungsleuten tummeln sich beinahe unzählige verurteilte Gewalttäter – oft auch in ganz hoher Position.

Dieser hervorragend recherchierte Band reiht sich nahtlos in die Reihe der Standardwerke der letzten Jahre ein. Nach dem ebenfalls von Röpke und Speit herausgegebenen Band „Braune Kameradschaften“ und dem kurz darauf folgenden Buch „Moderne Nazis“ von Toralf Staud, bringen uns insbesondere die Beiträge der Herausgeber selbst auf den neuesten Stand und entlarven die Vorgehensweise der Rechtsextremen anhand unzähliger und sehr eindringlicher aktueller Beispiele.

Aber was ist seit dem Erscheinen von Braune Kameradschaften im Jahr 2005 alles in der Rechten Szene passiert? Große Medien bemühen sich um eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus, viele Politiker beschränken sich auf regelmäßige Forderungen nach einem Verbot der NPD, ohne sich wirklich damit zu konfrontieren und sich auch nur im Geringsten um die nötigen Maßnahmen zu kümmern - und die NPD feiert weiter Erfolge und erobert ganze Landstriche. Auf einen erneuten Selbstzerfleischungsprozess, wie ihn die Partei nach der misslungenen Bundestagswahl 1969 jahrzehntelang durchlebt hat, darf man nicht hoffen.

Im Kampf gegen gewalttätige Neonazis und die noch viel gewalttätigere Politik der Neofaschisten ist nach wie vor ziviles Engagement notwendig. Das allein reicht aber nicht aus – die Rechtsextremen haben gerade dort Erfolg, wo sie beinahe die einzigen sind, die auf Bürger, Jugendliche, Sozialleistungsempfänger und sogar Mittelständler zugehen. Hoffnungslosigkeit, Orientierungslosigkeit und Resignation sind zwar nicht die alleinigen, aber doch häufige Wurzeln rechtsextremen Gedankenguts. Die Ursachen müssen erkannt und bekämpft werden. Da helfen nicht allein Verbote von Parteien oder Organisationen, denn solange regelmäßig Studien enorme Fremdenfeindlichkeit, antisemitische Ressentiments und Vorurteile auf fast allen Ebenen verzeichnen, finden rechtsextreme Parteien und Organisationen einen Nährboden für ihre Ideologie. Im vorliegenden Band wird der NPD-Landtagsabgeordnete und Vordenker Jürger Gansel zitiert, der von einer gewissen „Nachfrage nach einer seriösen nationalistischen Partei“ spricht (S.52). Dieser Nachfrage muss aufklärerisch entschlossen entgegengetreten werden. „Neonazis in Nadelstreifen“ stellt dafür eine sehr gelungene Grundlage dar.



RezensentIn: Sebastian Friedrich

Erschienen bei C.H. Links 2008, 16,90 Euro. Sie können dieses Buch bei Amazon bestellen.


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