Jutta Ditfurth:
Rudi und Ulrike
Geschichte einer Freundschaft
Jutta Ditfurth hält die Erinnerung fest an die Aufgabe der Revolte- und an ihr bisheriges Scheitern. Was nicht heißen darf, dass die Aufgabe inzwischen erlassen wurde.
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“Rudi und Ulrike”-Jutta Ditfurths neuestes Buch- trägt unglücklicherweise den Untertitel: Geschichte einer Freundschaft. Das gab Anlass zu einem “Auf sie mit Gebrüll” für eine erkleckliche Anzahl bisheriger Rezensenten.
Freundschaft wird dabei offenbar verstanden als etwas sehr Gefühlvolles und Überschwängliches.
Ein Buch ”Rosa und Karl” zum Vergleich genommen -über Luxemburg und Liebknecht- müsste notwendig die Geschichte eines gemeinsamen Weges nachzeichnen, nicht ohne Kräche. Mit wenig Wallungen. Wie eben Politiker-Gemeinsamkeiten zu verlaufen pflegen. Wäre also auch bei Dutschke und Meinhof nach dem gemeinsamen Weg zu fragen, den Jutta Ditfurth im neuen Buch nachzeichnet.
Von da aus ergibt sich erst der aufschlussreiche Blick in eine Zeit, die längst vergangen scheint- und doch heute und gestern zu größten Erregungen Anlass gibt, wie etwa die Sendung von Maybritt Illner am 17.4. zeigte.
Der Herkunft und dem geistigen Ausgangspunkt nach ziemlich verschieden, gelangten Dutschke und Meinhof im Lauf der sechziger Jahre doch beide zur unabweisbaren Erkenntnis, dass es mit Reden und Schreiben nicht mehr getan sein kann unter Verhältnissen, die immer bedrohlicher sich so ballen, dass sämtliche angeblich getrennten Gewalten -Parlament, Regierung, Polizei, Presse, Geheimdienst- sich zu einer einheitlichen lastenden Masse zusammenschließen, einer die immer unverhüllter auf Vernichtung der Gegner aus ist.
In der Heraufrufung des Erstickungsgefühls in solcher Umgebung liegt die eigentliche Stärke des neuen Buchs von Jutta Ditfurth.
Packend schildert sie die zunehmende -behördlich geduldete -Bedrohung jeder Opposition in Berlin ab 66. Die Durchsetzung der Polizei mit einer ganzen Garde bewährter Aufstandsbekämpfer in Polen aus dem alten Reichssicherheitshauptamt. Denen zur Erinnerung, die es -wenn auch nur aus der Ferne- miterlebten; denen zur Erklärung der Revolte, die von allem noch nichts wussten (außer den immer wieder erwähnten Kindern von Götz Aly. Die haben solche Erklärung nicht nötig, weil sie -weit über dreißig- immer noch ihren Papa fragen - und der beruhigt die Kleinen dann: da war nix. Außer ein paar Aufgeregten).
In dieser Umgebung schildert Ditfurth neu die Entwicklung Dutschkes. Sie greift dabei gerade die Züge auf, die zum Beispiel ein Kraushaar moniert. In seinem “Rudi Dutschke und der bewaffnete Kampf” kann er sich nicht lang genug auslassen über die Dynamitstangen im Kinderwagen und die von Anfang an bestehende Tendenz Dutschkes, Verbotenes zu tun - und wenn das Verruchte nur im Plakatekleben bestanden hätte. Offenbar sehr nah am Terror. Dass Dutschke nicht der Heilige gewesen sei, zu dem ihn eine Nachwelt mit Hintergedanken gemacht hat, unterstreicht er mit Recht. Wie umgekehrt Ditfurth auch, nur mit genau entgegengesetzter Tendenz.
Will Kraushaar Dutschke und allen Achtundechzigern die Schuld an der “GEWALT” anlasten, um mit ihnen endgültig fertig zu werden, so hebt Ditfurth gerade diese militanten Züge hervor, um die unumgängliche Entschlossenheit angesichts wachsenden Drucks zu unterstreichen. Nicht nur damals, sondern immer neu - in gewandelten Situationen der Auseinandersetzung.
Das zeigt sich etwa am Detail des “Langen Marsches”. Normalerweise wurde diese Metapher Dutschkes als Ermunterung verstanden, nur brav als Referendar unten einzusteigen, um schon nach einem oder zwei Jahrzehnten als knallroter Oberstudiendirektor aus dem Amtszimmer zu schauen. Ermunterung einfach zu dem, was viele Achtundsechziger notgedrungen ohnedies taten. Nur, dass das Knallrote am Ende in der Regel verblasste. Ditfurth zitiert dagegen einen Satz; “Um Revolutionär zu werden", so Dutschke, bedurfte es “des Weges raus aus der Universität, rein in die Institutionen, aber mit dem Ziel, sie aufzubrechen. Immer wieder hinausgeworfen, müssten die Permanenzrevolutionäre..immer wieder eindringen. Das ist der lange Marsch durch die Institutionen” (Ditfurth S.161, zitiert nach Dutschke: Ein Pamphlet).
Das hört sich schon anders an als das Karriere-Konzept, nur in der Perspektive der Revolution, ebenso unfruchtbar. Wie sollten die Hinausgeworfenen bei einem halbwegs funktionierenden EDV-System der Behörden je wieder reinkommen?
Ulrike Meinhofs Schlussfolgerung dagegen, aus der Unbeweglichkeit und der Bedrohlichkeit der herrschenden Verhältnisse: der Weg vom Protest zum Widerstand zum -nur perspektivisch zu erblickenden- Aufstand. Widerstand hier begriffen als: Wirksam etwas gegen dasjenige tun, das ich im Protest schon erkannt und angeklagt habe.
Beide Wege erwiesen sich als ungangbar. Wenn wir nur auf das Verhältnis von Zweck und Mittel schauen, konnten weder Langer Marsch noch Guerilla den Sturmlauf schaffen auch nur zum Ansatz des Umsturzes Nur eines haben beide Richtungen geschafft: der Selbstgewissheit des Bestehenden einen Stoß zu versetzen, der -trotz aller Bemühungen- nicht verschmerzt und nicht vergessen werden konnte. Seit mehr als dreißig Jahren werden immer neue Pflaster über die blauen Flecken und Wunden geklebt. Ohne das ungeschehen machen zu können, was geschehen war- und was den fraglosen Zusammenhalt der Welt auseinander riss.
Immer wieder ist seither versucht worden, sich in das angeblich inzwischen erreichte Zivile, ja Zivilisatorische einzuwickeln. Mit mäßigem Erfolg. Und Jutta Ditfurths Buch trägt mit dazu bei, solchen Trost zu vergällen. Sie hält die Erinnerung fest an die Aufgabe der Revolte - und an ihr bisheriges Scheitern. Was nicht heißen darf, dass die Aufgabe inzwischen erlassen wurde.
Und das sollte wichtiger sein als das Problem, mit wie viel Herzensgeklopf und Blutdrucksteigerung die Freundschaft zwischen Dutschke und Meinhof betrieben wurde. Hauptsache, sie bestand. Im Zusammengehen nämlich hin zu der “dritten Sache” von der Brecht gesprochen hat.
RezensentIn: Güde, Fritz
Erschienen bei Droemer Verlag 2008, 16,95. Sie können dieses Buch Dieses Buch bei amazon bestellen.
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